Mit Corona ist auf einmal das Home Office in die Wohnung eingezogen. Und wie lange dies dort bleiben wird, ist offen. Zumal sicher einige Unternehmen feststellen, dass dies sicher auch für die Zukunft eine Möglichkeit ist, zu arbeiten. Und heute bereits ein Artikel in der Presse erschien, dass es in Zukunft ein Recht auf Home Office geben soll.
Doch was bedeutet dies für das Leben und Arbeiten zuhause?
Im ersten Moment denkt man: Laptop, Esstisch und die Arbeit kann los gehen. Aber was ist, wenn der Partner/die Partnerin auch von zuhause arbeitet und auch noch (Klein-)Kinder zuhause sind? Dann beginnt die Herausforderung.
Nachdem ich mich seit mehr als 25 Jahren mit dem Planen von Wohnungen beschäftigt, erlaube ich mir einen Blick in die Zukunft:
Zuerst ein kleiner Rückblick in die Vergangenheit
Wohnen und arbeiten unter einem Dach – früher ganz normal.
Früher kannte man das gar nicht, dass die Arbeit und das Wohnen getrennt war. Erst mit der Industrialisierung wurden Arbeiter für Fabriken benötigt, die dann eine Wohnunterkunft bekommen haben. Städte- und Wohnbau nahm seinen Anfang, später mit Beginn des „Wirtschaftswunders“ wurden Einfamilienhaussiedlungen angelegt und auch entsprechende Wohnbausiedlungen errichtet. Hier begann die klare Trennung von Wohnung und Arbeitsstelle.
Ebenso waren damals die Wohnungen auch in ihrer Grundstruktur klar aufgeteilt. Es gab ein Wohnzimmer, Esszimmer, Küche, Bad, Schlafzimmer und entsprechend Kinderzimmer. Platzmäßig optimiert und auch hier hat sich das Rollenverständnis der damaligen Zeit in der Wohnung wiedergespiegelt. Die Küche war eine „Ein-Frau-Küche“ bei der die Arbeitsabläufe optimiert waren, entsprechend der Frankfurter Küche, entworfen von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky. Das Familienleben Leben war klar aufgeteilt.
Und dann nahm die Entwicklung seinen Lauf.
Unsere Wohnungen werden größer und offenes Wohnen mit großzügigen, fließenden Übergängen in Wohn-Ess-Küchenräumen wird aktuell favorisiert gestaltet. Freizeit-, Wellness-, Hobby- und Gäste- und Arbeitszimmer werden geplant und sind gewünscht. Das Familien- und Arbeitsleben kennt inzwischen alle Varianten, was sich auch in den Wohnungen widerspiegelt.
Die Wohnung ist ein Ort, um sich von der Arbeit zu erholen, seine Freizeit zu genießen und zu repräsentieren.
In unserer mehr als 20-jährigen Erfahrung im Planen für Privatkunden planen, stellen wir gerade fest, dass der Trend wieder zu abtrennbaren Räumen geht. Wobei oftmals Küche und Essbereich eine Einheit bilden, der Wohnraum jedoch gerne auch separat gestaltet wird. Es hat sich herausgestellt, dass in einem Mehrpersonenhaushalt unterschiedliche Bedürfnisse zu berücksichtigen sind. Wenn gerade in der Küche gekocht wird, ist es störend, wenn der andere im Wohnbereich lesen, fernsehen oder Musik hören möchte.
Ebenfalls ist das Leben mit Teenagern anders, wenn diese mit Freunden nachts noch hungrig in der Küche stehen und man selbst im Wohnbereich entspannen möchte.
Arbeitsbereiche und Arbeitszimmer werden nur bedingt explizit vorgesehen und wenn, dann als Kinder-Gäste-Arbeitszimmer oder es gibt eine Arbeitsecke, die jedoch für das längere Arbeiten nur bedingt geeignet ist.
Plötzlich Home Office, was bedeutet das?
Übergangsweise hat man sich seinen Platz am Esstisch eingerichtet, oder den Gartentisch ins Wohnzimmer, oder Schlafzimmer gestellt – wichtig war ersteinmal einen Platz zum Aufstellen des Laptops zum Arbeiten zu haben.
Schnell hat sich herausgestellt, wo die Herausforderungen liegen, wenn auf einmal von Zuhause aus gearbeitet werden soll. Oftmals ein Zuhause, welches gar nicht auf stundenlange Arbeit eingerichtet ist, sondern auf Familie, Entspannung und Freizeit.
Und was ist, wenn der eine den ganzen Tag Video- und Telefonkonferenzen hat und der andere muss konzentriert arbeiten? Oder der eine ist es gar nicht gewohnt, dass der andere Zuhause ist und einen eigenen Bereich beansprucht? Und hier gib es schon das erste Problem.
Wie in Büros, sollten hier Bereiche geschaffen werden, in denen konzentriert gearbeitet werden kann und Bereiche in denen Kommunikation, Entspannung und Rückzug möglich ist, ohne den anderen zu stören. Somit klappt das am Esstisch mit zwei unterschiedlichen Arbeitsanforderungen nur bedingt.
Aktuell kommt on Top noch die Kinderbetreuung hinzu. Herausfordernd wenn es sich um Kleinkinder handelt, die die Nähe der Eltern suchen. Größere Kinder, die aktuell mit Homeschooling beschäftigt sind, können sich in ihrem Zimmer zurückziehen oder sitzen auch mit am Esstisch. Und schon ist die neue Art des Coworking Home geschaffen, mit all seinen Herausforderungen.
Ich kann verstehen, dass sich viele wieder in ihr Büro wünschen, da hier die Arbeitsbedingungen besser sind, oder sich aktuell tageweise ein Hotelzimmer zum Arbeiten buchen.
Deshalb gilt es, sich möglichst gleich gute Arbeitsbedingungen zu Hause zu schaffen – hierzu gibt es im Anhang noch ein paar Tipps.
Aber wie wird das in Zukunft sein, wenn immer mehr Unternehmen das Home Office entdecken, auch um am Ende große Büros und teure Büromietflächen zu sparen? Die ersten Unternehmen sind mir schon bekannt, die auch vor Corona aus Kostengründen ihre Mitarbeiter bereits ins Home Office geschickt haben und man sich nur zu festen Meetings im Unternehmen trifft.
Welche Anforderungen gibt es an die Wohnungen und das Arbeiten zuhause?
Wie funktioniert das, wenn auf einmal 2 (oder mehr) Personen zuhause arbeiten. In der heutigen Zeit finden Besprechungen, Schulungen und Konferenzen online statt – hier ist die Erfindung der Kopfhörer natürlich ein Segen. Was ist, wenn der eine konzentriert arbeiten muss, der andere jedoch am ständig Telefonieren/Konferieren ist?
Somit ist auch die Akustik nicht zu vernachlässigen. Absorber, Akustikpaneels, Stoffe und Textilien, Teppiche und Vorhänge, offene Regale, Pflanzen und Teppiche können hier Linderung schaffen.
Der eine benötigt nur seinen Laptop, der andere mehr Ablagefläche um sich herum. – Computertechnik, wie Drucker etc. muss für jeden zugänglich untergebracht werden.
Wichtig ist, hier separate Bereiche zu schaffen.
Mit Raumteilern lassen sich einzelne Raumbereiche schaffen, in welchen individuell gearbeitet werden können.
Und wie sieht die Beleuchtung im Home Office aus? Ist es hier die Esstischleuchte? Oder eine Deckenleuchte – gerade wer sich zuhause motivieren muss, sollte nach auf die richtige Beleuchtung achten.
Licht und Beleuchtung sind wichtig für das gesunde Arbeiten – denn nicht umsonst gibt es genaue Vorschriften der Arbeitsstättenrichtlinien für Büros – und wie sieht das dann zuhause aus?
Die Anforderung für Beleuchtung im Wohnbereich ist eine andere wie im Büro. Gerade in den letzten Jahren ist hier die Wissenschaft mit der neuen LED Technik darauf gekommen, dass kaltes Licht ab 4000 K und kälter die Menschen konzentrierter arbeiten lässt und dass warmes Licht (2800 K) zur Entspannung beiträgt.
Hierbei wurden u.a. auch Versuche in Schulen bei Klassenarbeiten gemacht mit hellem Licht + 5500K. Das Ergebnis waren konzentriertere Schüler und bessere Ergebnisse. Man spricht hier von HCL ( Human Centric Lightning). Machen wir uns das Wissen zu Nutze für unseren Tag.
Nicht vergessen werden darf auch nicht die Möglichkeit der Regeneration und der Pausengestaltung beim Arbeiten zuhause, denn es sollte nicht sein, dass in den Pausen nahtlos zur Hausarbeit übergegangen wird.
Anforderung an die Wohnung der Zukunft
Die neuen Wohnungen müssen für die Anforderungen der Zukunft geschnitten sein. Mit offenem Grundriss für Wohnen-Essen-Kochen und Schlaf- und Kinderzimmer kommt man nicht weit, wenn der Platz begrenzt ist und wenn es um eine Familienwohnung/Haus geht in der auch gearbeitet werden soll.
Nachdem wir uns darauf einstellen müssen auch in Zukunft vermehrt vom Home Office zu arbeiten, stellt sich die Frage der Gestaltung.
Die neuen Wohnungen müssen Bereiche aufweisen, die als Home Office eingerichtet und abgeteilt werden können. Wenn es kein eigenes Arbeitszimmer gibt, dann sind Innenarchitekten und Einrichtungsplaner gefragt, dann muss dieser Bereich klar getrennt werden können, und zwar optisch, physisch und akustisch. Es muss dort professionell und konzentriert gearbeitet werden können, ohne dass das ganze Familienleben dadurch gestört wird.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das nicht einfach ist. Kaum ist man mit den Gedanken im Arbeitsmodus, kommt eine Unterbrechung und sei es auch nur kurz und die Konzentration ist dahin. Auch hier gilt es Familienstrukturen, Ordnung und Regeln aufzustellen, damit ein Arbeitsalltag zuhause funktionieren kann, sodass man abends auch beruhigt Feierabend machen kann und nicht immer denkt, ich müsste, oder könnte noch etwas fertig machen.
Was für Lehrer, verschiedene Berufsgruppen und vor allem Selbstständige die schon immer von Zuhause aus arbeiten Alltag ist, ist für viele neu und eine Herausforderung.
Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf die Architekten und Innenarchitekten bei der Planung von Häusern und Wohnungen mit ihren Bauherren? Ich denke, dies muss für die Zukunft unbedingt berücksichtigt werden. Es geht hier nicht um die zusätzliche Schaffung eines Arbeitsbereiches oder Arbeitszimmers „irgendwo“ im Haus/in der Wohnung wo „auch“ mal gearbeitet werden kann. Nein hier müssen Arbeitsplätze geschaffen werden, an dem man professionell, konzentriert und fokusiert arbeiten kann – und zwar alleine oder auch zu zweit.
Wohnungsgrundrisse müssen neu gedacht werden.
Work-Life-Balance gilt auch für die Gestaltung der eigenen 4 Wände
Unsere Anforderungen und Bedürfnisse an Wohnungen und Häuser werden sich verändern und müssen von Architekten und Innenarchitekten berücksichtigt werden.
Wohnungen werden in der Zukunft nicht nur zum Wohnen geplant, es müssen mehr und bessere Bereiche und Zonen geschaffen werden für unterschiedlichste Funktionen und Bedürfnisse.
Vor dem Einstieg in die Planung müssen die Bedürfnisse der Bewohner genau ermittelt werden. Wieviele Personen werden dort gemeinsam wohnen und arbeiten? Wie ist der Tagesrhythmus? Und die Anforderungen an die Arbeit, wenn von zuhause aus gearbeitet werden soll? Welche Bereiche muss es geben für den persönlichen Rückzug, Hobby und die Erholung? Wie sollen die Bereiche für Begegnung und die Kommunikation gestaltet werden?
Arbeitsbereiche und Arbeitszimmer, sollten so gestaltet sein, dass sie den aktuellen Anforderungen an Gesundheit, Ergonomie, Konzentration entsprechen, denn wenn dort 8 Stunden gearbeitet werden soll, muss auch dieser Bereich gut gestaltet sein und zum Familienleben passen.
In der Zukunft gilt es auch, bestehende Konzepte und Grundrissvorgaben komplett zu überdenken. Vielleicht braucht es in Zukunft gar kein großes Wohnzimmer mehr, wenn es für das Zusammenleben besser ist, lieber jedem sein Zimmer einzurichten und sich die Familie am Esstisch trifft? Und bei der aktuellen Wohnungsnot in den Großstädten, kann man auch nicht einfach eine größere Wohnung herzaubern, deswegen sind auch hier unkonventionelle Einrichtungslösungen gefragt.
Mit dem Wissen um die wohn- und architekturpsychologischen Prozesse, welche sich auch in der Lehre von Feng Shui wiederspiegeln und das Wirken auf den Menschen ist auch die Gestaltung des ganzen Arbeitszimmers/Bereiches von großer Bedeutung und muss im Planungsprozess für die Wohnungen der Zukunft mit aufgenommen werden.
Seien wir offen für Neues – und gestalten wir unsere Zukunft mit unseren Räumen zum Leben und Arbeiten.
Noch ein paar Tipps:

Zu Beginn der Corona-Krise habe ich mit 5 Expertinnen ein paar Tipps zur Gestaltung des Home Office Arbeitsplatzes zusammengefasst:
- Gestaltung des Arbeitsplatzes: Der Schreibtisch sollte möglichst so gestellt werden, dass man vom Arbeitsplatz den Blick in den Raum und zur Türe hat, möglichst eine sichere Wand im Rücken, dies ist wichtig für konzentriertes Arbeiten. Mit dem Rücken zur Türe ist unser Unterbewusstsein ständig in Hab-Acht-Stellung was hinten passiert.
- Gestaltung des Raumes: Der Arbeitsbereich sollte so gestalten, sein, dass wir uns dort gerne aufhalten. Hier kommt vor allem Farbe ins Spiel, welche Farbstimmung unterstützt uns beim Arbeiten, dies lässt sich mit einer Farbberatung herausfinden.
- Licht ist ebenfalls ein wichtiges Thema: In Büros gibt es genaue Angaben, wie die Beleuchtung der Arbeitsplätze von Lichtverteilung und Helligkeit sein soll. Und seit ein paar Jahren ist auch bekannt, dass sich die Lichttemperatur der LED-Leuchten auf unsere Arbeitsleistung positiv auswirkt. (Arbeitslicht: > 4000 Kelvin sollte beachtet werden) – Deswegen ist eine professionelle Arbeitsplatzbeleuchtung eine gute Investition.
- Nicht zu vernachlässigen ist der Lichteinfall von draußen, dass hier auf mögliche Sonnenblendung und Spiegelungen auf dem Bildschirm geachtet wird und ggf. mit Vorhängen, Rollos, Plissee Abhilfe geschaffen wird.
- Die Akustik: Wenn mehr als 2 Personen in einem Raum arbeiten ist auch dies zu berücksichtigen und der Einsatz von Akustikpaneelen ist eine gute Investition.
- Ergonomie: Auch hier bitte nicht sparen, ein ergonomischer Bürostuhl ist wichtig für die eigene Gesundheit und auch für Tastatur und Maus gibt es sinnvolle Hilfsmittel.
- Ordnung: ein weiter Bereich, der von der Arbeitsplatzordnung bis zu Raumordnung geht. Und es dürfte für jeden klar sein, dass der Anblick von Bügelwäsche im Arbeitsbereich nicht arbeitsförderlich ist.
- Struktur: Um Zuhause zu arbeiten bedarf es, wie im Büro einer gewissen Arbeitsstruktur von Konzentration und Pausen. Ein bewusster Beginn am Morgen und vorallem ein Abschluss der Arbeit am Abend ist wichtig, um dann seinen Feierabend zu genieße und um den nötigen Abstand von der Arbeit zu bekommen, wenn schon die Wegstrecke zwischen Arbeitsplatz und Wohnort nur wenige Meter beträgt. Hier ist es natürlich ideal, wenn es ein, oder für jeden ein Arbeitszimmer gibt, bei dem die Türe geschlossen werden kann.
- Hier noch der Link zum Webinar: https://vimeo.com/403975310
Jeanette Neidhardt-Rosenberger – seit mehr als 25 Jahren selbstständige Interior Designerin, Feng Shui Beraterin, Lichtplanerin und Zertifizierte Expertin für Wohn- und Architekturpsychologie